Kapitel 1

Chancen, Risiken und wie sie in der Praxis eingesetzt werden

Beim Verkauf eines Unternehmens kann der Kaufpreis schnell zum Streitpunkt werden, besonders dann, wenn Käufer und Verkäufer unterschiedliche Vorstellungen vom Wert des Unternehmens haben. In solchen Fällen bieten Earn-Out-Klauseln eine flexible Möglichkeit, Differenzen zu überbrücken und eine für beide Seiten faire Lösung zu finden.

Ein Earn-Out ist ein variabler Teil des Kaufpreises, der zusätzlich zum festen Basispreis vereinbart wird. Er wird abhängig von der zukünftigen Unternehmensentwicklung gezahlt. Das bedeutet: Ein Teil des Kaufpreises wird nur dann fällig, wenn zuvor festgelegte finanzielle oder operative Zielgrößen erreicht werden. Typische Messgrößen sind EBIT oder EBITDA, aber auch der Umsatz kann bei jungen, margenarmen Unternehmen als Basis dienen. Seltener werden operative Kennzahlen wie Neukundengewinnung oder Produktzulassungen verwendet. Die Earn-Out-Periode erstreckt sich meist über ein bis drei Jahre.

Earn-Outs sind besonders dann sinnvoll, wenn der Unternehmenswert schwer zu bestimmen ist oder beide Parteien unterschiedliche Erwartungen an die zukünftige Entwicklung haben. Das ist häufig der Fall bei innovativen, stark wachsenden Unternehmen, deren zukünftige Ertragskraft schwer vorherzusehen ist, oder bei inhabergeführten Betrieben, bei denen der Unternehmenserfolg stark von der Person des bisherigen Inhabers abhängt. Auch Unternehmen ohne verlässliche Finanzhistorie profitieren von Earn-Out-Klauseln, da sie eine faire und transparente Kaufpreisgestaltung ermöglichen.

Chancen und Risiken aus Käufer- und Verkäufersicht

Earn-Out-Klauseln bieten sowohl Käufern als auch Verkäufern spezifische Chancen und Risiken. Sie schaffen Flexibilität, indem sie den Kaufpreis an die zukünftige Entwicklung des Unternehmens knüpfen, sind jedoch auch mit Unsicherheiten verbunden. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Chancen und Risiken für beide Seiten:

Chancen Risiken
Verkäufer
  • Potenziell höherer Gesamtkaufpreis bei erfolgreicher Unternehmensentwicklung
  • Signalisiert Vertrauen in die künftige Performance gegenüber dem Käufer
  • Der variable Teil des Kaufpreises ist nicht garantiert – er hängt von Faktoren ab, die nach dem Verkauf nicht mehr vollständig beeinflussbar sind.
  • Abhängigkeit vom Käufer: Strategische Entscheidungen, Budgetveränderungen oder Umsatzverschiebungen durch den Käufer können die Zielerreichung negativ beeinflussen.
Käufer
  • Risikoreduzierung durch einen leistungsabhängigen Kaufpreis
  • Motivation des Verkäufers zur Unterstützung nach Übergabe
  • Geringerer Kapitalabfluss zum Closing
  • Erhöhter administrativer Aufwand und potenzielles Konfliktpotenzial
  • Mögliche Einschränkungen in der unternehmerischen Freiheit

Earn-Outs in der M&A-Praxis

Earn-Outs sind längst kein Nischeninstrument mehr. Laut aktuellen Analysen (u. a. PwC, KfW) kommen sie bei etwa 30–40 % der Transaktionen im technologie- und wachstumsorientierten Mittelstand zum Einsatz. Besonders häufig werden sie genutzt, wenn der tatsächliche Unternehmenswert schwer zu bestimmen ist – etwa bei Unternehmen mit starkem Entwicklungspotenzial, hoher Innovationskraft oder begrenzter Transparenz über die nachhaltige Ertragskraft.

In der Praxis machen Earn-Outs häufig 10 bis 40 % des Gesamtkaufpreises aus. Der restliche Kaufpreis wird als fixer Betrag entweder beim Closing oder in mehreren Tranchen gezahlt. Diese Kombination aus fixem und variablem Kaufpreis schafft eine Balance zwischen Sicherheit und Chancen, die den individuellen Erwartungen beider Parteien gerecht wird.

Damit ein Earn-Out-Modell in der Praxis zuverlässig funktioniert, sind präzise vertragliche Grundlagen unverzichtbar. Klare und nachvollziehbare Regelungen sorgen für Transparenz und minimieren das Konfliktpotenzial. Im Folgenden zeigen wir, welche drei zentralen Aspekte dabei besonders entscheidend sind:

  1. Präzise und objektive Definition der Zielgrößen: Die Kennzahlen, an denen sich der Earn-Out bemisst, müssen klar und manipulationssicher definiert sein. EBIT oder EBITDA sind als Standardgrößen sinnvoll, da sie aus der Unternehmensrechnung ableitbar sind. Bei alternativen Größen wie Umsatz oder Neukundengewinnung muss die Erhebungsmethodik präzise festgelegt werden, etwa, ob der Umsatz brutto oder netto betrachtet wird und wie Einmaleffekte berücksichtigt werden.
  2. Transparente Berechnungsmethodik: Eine klar geregelte Berechnung des Earn-Out-Betrags verhindert Missverständnisse und beugt Streitigkeiten vor. Der Vertrag sollte detailliert festlegen, wie die Zielgröße berechnet wird, wer die Berechnung durchführt (Verkäufer, Käufer oder ein neutraler Wirtschaftsprüfer) und wann die Ergebnisse offengelegt werden. Auch Einspruchsrechte des Verkäufers bei Unstimmigkeiten sind sinnvoll. Eine transparente Berechnung schafft nicht nur Klarheit, sondern stärkt auch das Vertrauen zwischen den Parteien.
  3. Schutz vor bilanzpolitischer Beeinflussung: Käufer haben nach dem Closing die Kontrolle über das Unternehmen und könnten Entscheidungen treffen, die den Earn-Out negativ beeinflussen – etwa durch Investitionsstopps, Budgetkürzungen oder die Verlagerung von Umsätzen auf andere Konzerngesellschaften. Um dies zu verhindern, sollten vertragliche Schutzmechanismen festgelegt werden. Dazu gehören Mitspracherechte des Verkäufers bei größeren Investitionen, die Möglichkeit einer externen Prüfung der Zielerreichung durch unabhängige Dritte (z. B. Wirtschaftsprüfer) sowie klare Vereinbarungen, die verhindern, dass der Käufer bilanzpolitische Maßnahmen ergreift, die den Earn-Out manipulieren könnten. Entscheidend ist hierbei, dass der Verkäufer nicht nur auf vertragliche Regelungen vertraut, sondern auch aktiv Möglichkeiten nutzt, um die Zielerreichung selbst positiv zu beeinflussen. Wie genau Verkäufer diesen Gestaltungsspielraum nutzen können und welche Strategien besonders erfolgversprechend sind, erfahren Sie im nächsten Abschnitt.

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Autor des Beitrags

Benedikt Pohlner

Benedikt Pohlner, Partner

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