Kapitel 2

Wie Verkäufer ihre Chancen sichern – rechtlich, steuerlich und operativ

Gestaltungsempfehlungen für Verkäufer: Wie Sie Ihren Earn-Out aktiv beeinflussen

Ein Earn-Out bietet Verkäufern die Möglichkeit, am zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens teilzuhaben. Doch um diese Chance zu realisieren, müssen Verkäufer nicht nur auf eine saubere vertragliche Gestaltung achten, sondern auch aktiv dazu beitragen, dass die vereinbarten Ziele tatsächlich erreicht werden.

Verkäufer haben dabei verschiedene Möglichkeiten, ihren Earn-Out positiv zu beeinflussen. Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen ist es, nach dem Verkauf weiterhin im Unternehmen aktiv zu bleiben, sei es als Berater, Beirat oder sogar als Übergangsgeschäftsführer. Eine solche Einbindung ermöglicht es, operative Entwicklungen weiterhin mitzugestalten, potenzielle Zielverfehlungen frühzeitig zu erkennen und dem Käufer als erfahrener Ansprechpartner zur Seite zu stehen.

Ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor ist die Auswahl der Zielgrößen. Verkäufer sollten darauf achten, dass die Zielgrößen realistisch und messbar sind, und vor allem, dass sie selbst darauf Einfluss nehmen können. Besonders geeignet sind finanzielle Kennzahlen wie Umsatz oder EBITDA, da sie auf konkreten Geschäftszahlen basieren. Vermeiden sollten Verkäufer Zielgrößen, die stark von externen Faktoren abhängig sind, auf die sie keinen Einfluss haben – etwa Marktentwicklungen oder regulatorische Änderungen.

Auch vertragliche Transparenzpflichten können dazu beitragen, die Earn-Out-Ziele zu erreichen. Verkäufer sollten sicherstellen, dass sie in der Earn-Out-Phase regelmäßig über die Entwicklung der Zielgrößen informiert werden. Das kann über monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen, Plan-Ist-Abgleiche oder direkte Reports vom Käufer geschehen. Je besser die Informationslage, desto schneller können Verkäufer auf negative Entwicklungen reagieren.

Darüber hinaus sollten Verkäufer sich vertraglich Mitspracherechte bei strategischen Entscheidungen sichern – insbesondere bei solchen, die die wirtschaftliche Entwicklung direkt beeinflussen. Dazu gehören Investitionen, Budgetanpassungen oder die Besetzung von Schlüsselpositionen. Diese Mitspracherechte müssen nicht als Vetorecht ausgestaltet sein, aber sie sollten dem Verkäufer die Möglichkeit geben, auf Entscheidungen einzuwirken, die seine Earn-Out-Zahlung gefährden könnten.

Schließlich ist eine offene und transparente Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer entscheidend. Verkäufer sollten regelmäßig den Austausch suchen, um sicherzustellen, dass sie über wichtige Entwicklungen informiert bleiben und potenzielle Konflikte frühzeitig lösen können. Eine partnerschaftliche Kommunikation fördert das Vertrauen und trägt dazu bei, dass der Earn-Out für beide Seiten erfolgreich wird.

Absicherung gegen Käufereingriffe: Schutzmechanismen für den Ernstfall

Neben der aktiven Gestaltung auf Verkäuferseite ist es ebenso wichtig, sich gegen potenzielle Eingriffe des Käufers abzusichern. Auch bei sorgfältiger Vertragsgestaltung bleibt das Risiko bestehen, dass der Käufer Entscheidungen trifft, die den Earn-Out negativ beeinflussen – sei es bewusst oder unbewusst. Um den wirtschaftlichen Erfolg des Earn-Outs zu sichern, sind präventiv verankerte Schutzklauseln unverzichtbar. Im Folgenden stellen wir vier zentrale Mechanismen vor, die Verkäufer vor ungewollten Eingriffen schützen.

  1. Earn-Out-Floor – Mindestbetrag als Sicherheitsnetz: Ein Earn-Out-Floor definiert eine garantierte Mindestauszahlung, unabhängig von der tatsächlichen Zielerreichung. Er schützt den Verkäufer vor Totalverlust, etwa wenn externe Marktentwicklungen oder Käuferentscheidungen das Ergebnis unerwartet belasten. Der Floor kann als fixer Betrag oder prozentualer Anteil des Earn-Outs ausgestaltet werden. Er eignet sich besonders bei Geschäftsmodellen mit starkem Prognoserisiko oder wenn der Verkäufer nur begrenzten Einfluss auf die operative Entwicklung hat.
  2. Best-Efforts-Klausel – Verpflichtung zur Zielverfolgung: Die Best-Efforts-Klausel verpflichtet den Käufer, sich nach besten Kräften darum zu bemühen, die vereinbarten Ziele zu erreichen. Zwar ersetzt sie keine Erfolgsgarantie, aber sie dokumentiert die grundsätzliche Verpflichtung zu einer unternehmerisch redlichen Fortführung. Kommt es zu Streitigkeiten, kann sie eine wichtige rechtliche Grundlage sein, insbesondere dann, wenn der Käufer Entscheidungen trifft, die offensichtlich nicht im Sinne der Zielerreichung sind.
  3. Neutrale Drittprüfung – Unabhängigkeit bei der Zielkontrolle: Da Earn-Out-Zahlungen oft auf Bilanzkennzahlen basieren, ist der Verkäufer darauf angewiesen, dass diese korrekt ermittelt werden. Die Prüfung durch einen unabhängigen Dritten – z. B. einen Wirtschaftsprüfer – schafft Transparenz und minimiert Manipulationsmöglichkeiten. Im Vertrag sollte geregelt werden, wer den Prüfer bestellt, welche Unterlagen offengelegt werden müssen und welche Standards zur Anwendung kommen.
  4. Sanktionsmechanismen bei Pflichtverstößen: Verletzt der Käufer seine vertraglichen Pflichten, z. B. durch unterlassene Berichte, Eingriffe in die Bilanz oder bewusstes Unterlaufen der Zielvorgaben, sollten klar definierte Sanktionen greifen. Diese können von pauschalen Ausgleichszahlungen über Schadensersatzforderungen bis hin zur sofortigen Auszahlung des Earn-Outs reichen. Voraussetzung ist, dass die Pflichten konkret benannt und die Konsequenzen vertraglich eindeutig geregelt sind.

Steuerliche Behandlung: Was Käufer und Verkäufer beachten sollten

Die steuerliche Behandlung von Earn-Out-Zahlungen ist ein oft unterschätzter, aber zentraler Aspekt bei der Gestaltung von Unternehmensverkäufen. Sowohl für Verkäufer als auch für Käufer ergeben sich spezifische Pflichten und Gestaltungsspielräume, die frühzeitig mit Steuerberatern abgestimmt werden sollten. Denn schlecht vorbereitete Regelungen können zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führen, insbesondere dann, wenn die Earn-Out-Zahlungen über mehrere Jahre gestreckt sind.

Für Verkäufer: Zuflussprinzip und Progressionsrisiken
Aus steuerlicher Sicht zählen Earn-Out-Zahlungen zum Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG und sind grundsätzlich im Jahr des tatsächlichen Zuflusses zu versteuern, unabhängig davon, wann der Kaufvertrag unterzeichnet oder das wirtschaftliche Eigentum übertragen wurde. Dieses sogenannte Zuflussprinzip (§ 11 EStG) führt dazu, dass Verkäufer bei mehrjähriger Auszahlung der Earn-Out-Beträge die Beträge jeweils im Jahr ihrer Zahlung einzeln versteuern müssen.

Das birgt zwei wesentliche Herausforderungen:

  1. Steuerliche Unsicherheit: Da der genaue Betrag erst nachträglich feststeht, ist die Höhe des zu versteuernden Einkommens im Vorhinein nur schwer planbar.
  2. Progressionsnachteile: Wenn die Earn-Out-Zahlungen auf mehrere Jahre verteilt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit anderen Einkünften kumulieren und damit einem höheren Steuersatz unterliegen. Insbesondere im zweiten oder dritten Jahr nach dem Verkauf kann dies zu einer deutlich erhöhten Steuerbelastung führen.

Um diese Effekte abzufedern, sollte gemeinsam mit einem Steuerberater geprüft werden, ob sich gestalterische Maßnahmen anbieten, etwa durch Vorverlagerung von Zahlungen, durch Nutzung von Freibeträgen gemäß § 16 Abs. 4 EStG oder durch eine steueroptimierte Verteilung über mehrere Veräußerungseinheiten.

Für Käufer: Aktivierungspflicht als Teil der Anschaffungskosten
Auf Käuferseite gelten Earn-Out-Zahlungen als nachträgliche Anschaffungskosten des erworbenen Unternehmens. Das bedeutet: Auch wenn der genaue Betrag bei Vertragsabschluss noch nicht feststeht, müssen die Zahlungen – sobald sie geleistet werden – in der Bilanz aktiviert werden. Dies erhöht den bilanziellen Unternehmenswert auf Käuferseite.

Wichtig ist: Earn-Out-Zahlungen sind nicht sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig, sondern fließen in den Firmenwert ein und werden über die Nutzungsdauer abgeschrieben (z. B. im Rahmen der sogenannten Goodwill-Abschreibung bei Asset Deals). Das wirkt sich unmittelbar auf die steuerliche Abschreibungsbasis, aber auch auf das Ergebnis und die Bilanzkennzahlen des Käufers aus.

Gerade bei größeren Earn-Out-Anteilen (etwa ab 20 % des Gesamtkaufpreises) sollten Käufer daher frühzeitig prüfen, welche Auswirkungen dies auf ihre Bilanzstruktur und Finanzierung hat, und mit dem Steuerberater eine geeignete Bilanzierungsstrategie festlegen.

Tipp: Da steuerliche Spielräume im Earn-Out-Fall oft eng sind, empfiehlt es sich, bereits in der Strukturierungsphase des Kaufvertrags steuerliche Expertise einzubeziehen, idealerweise durch einen erfahrenen Steuerberater. So lassen sich steuerliche Risiken minimieren und Gestaltungsspielräume optimal nutzen.

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So gestalten Sie Ihren Earn-Out erfolgreich: Checkliste für Verkäufer

Ein Earn-Out bietet Ihnen als Verkäufer die Chance auf einen zusätzlichen Kaufpreisanteil – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen sind klar, fair und rechtlich gut abgesichert. Damit Sie bei der Vorbereitung und Vertragsgestaltung den Überblick behalten, haben wir die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Sie in einer kompakten Checkliste zusammengefasst.
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Fazit: Earn-Outs sinnvoll nutzen – aber richtig

Earn-Outs sind ein bewährtes Instrument in der M&A-Praxis, um Unsicherheiten bei der Unternehmensbewertung zu überbrücken und Kaufpreisvorstellungen beider Parteien in Einklang zu bringen. Sie schaffen Flexibilität und bieten die Chance auf einen höheren Gesamtkaufpreis, vorausgesetzt, sie sind sorgfältig strukturiert.

Entscheidend für den Erfolg eines Earn-Outs ist eine klare, manipulationssichere Vertragsgestaltung, die sowohl wirtschaftliche als auch steuerliche Aspekte berücksichtigt. Ebenso wichtig ist eine partnerschaftliche Verhandlungskultur, die Vertrauen schafft und Interessenkonflikte frühzeitig adressiert.

Für Verkäufer gilt: Je objektiver, transparenter und rechtlich abgesicherter die Regelungen sind, desto größer ist die Chance, dass der Earn-Out nicht nur vereinbart, sondern auch realisiert wird.

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Autor des Beitrags

Benedikt Pohlner

Benedikt Pohlner, Partner

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