Man muss früher mit dem Verkauf ansetzen als viele Betriebsinhaber das tun

Von Arnulf Ramcke

Patrick Seip und Fabian Schmidt vom “Nachfolgekontor” sind Spezialisten für die Nachfolgeregelung bei kleinen und mittleren Unternehmen. Sie sprechen über Voraussetzungen, Probleme und Lösungen.

ABZ: Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Nachfolgelücke bei klein- und mittelständischen Unternehmen in den kommenden Jahren noch größer werden wird. Teilen Sie diese Meinung?

Patrick Seip: Ich teile diese Einschätzung. Sie bezieht sich allerdings auf Unternehmen, deren Eigentümer ein gewisses Mindestalter erreicht haben. Nicht enthalten ist der Graubereich jüngerer Unternehmer um die 40. Viele sind von den immer neuen Herausforderungen der vergangenen Jahre überfordert oder haben allein schlichtweg keine Lust mehr. Sie wollen meist nicht komplett verkaufen, sondern sich einen starken Partner für die Zukunft an die Seite holen.

Fabian Schmidt: Heute sind Personalprobleme die größte Widrigkeit für Unternehmer. Gleichfalls ist das ein Anlass für die Nachfolgeregelung.

Sind die Betriebe häufig zu schlecht aufgestellt, um einen Nachfolger zu finden, oder wollen viele Jungunternehmer lieber gründen statt übernehmen?

Schmidt: Gründen statt kaufen kann sexy sein und ist ein Trend, der aktuell zunimmt, da Brot als Kulturgut Zuspruch erfährt. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine Rolle. Demgegenüber stehen alteingesessene Unternehmen, die komplett auf den Inhaber zugeschnitten sind. Dafür jemanden zu finden, ist ungleich schwieriger.

Also besser gründen statt kaufen?

Seip: Die Übernahme ist fast immer sinnvoller, gerade wenn die Geschäftsidee nicht wirklich eine bahnbrechende Innovation darstellt. Also auf etwas zu setzen, das bestehende Kunden- und Lieferantenbeziehungen, etablierte Prozesse und eingespielte Mitarbeiter hat. Statistisch scheitern neun von zehn Gründungen in den ersten drei bis vier Jahren.

Warum tun sich so viele Betriebe mit der Nachfolge trotzdem so schwer?

Schmidt: Ein Handwerksbäcker muss wachsen, um von Skaleneffekten zu profitieren und hierüber wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei muss er gleichzeitig die Investitionskosten im Blick behalten und steigenden regulatorischen Anforderungen genügen. Daher ist eine klare Positionierung wichtig, dass sich das Unternehmen klar vom Wettbewerb abgrenzt und seine Stärken kennt, um diese den Risiken gegenüberzustellen.

Welche Möglichkeiten hat ein Betriebsinhaber ohne Kinder und andere planbare Lösungen wie einen Mitarbeiter, der übernehmen möchte, seinen Betrieb zu veräußern?

Schmidt: Man muss früher ansetzen als viele Betriebsinhaber das tun. Wenn die sich in der Backstube unverzichtbar gemacht haben, wird es mit der externen Nachfolge schwierig. Auch die Nachfolge aus der Familie heraus ist ganz oft ein Problem. Nicht nur, dass die Kinder nicht übernehmen wollen, sie können auch einfach noch zu jung sein.

Was raten Sie einem Betrieb, der keinen Nachfolger findet?

Seip: Wenn man nicht weiterweiß, sollte man sich Beratung holen. Unser Job ist es, alle Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Aber auch wir finden nicht für jeden Betrieb einen Nachfolger. Gerade in den letzten Jahren haben externe Faktoren dazu geführt, dass viele Nachfolgeprozesse durch plötzlich grundlegend veränderte Rahmenbedingungen aufgeschoben wurden oder gar gescheitert sind.

Was sind die Kernvoraussetzungen dafür, um überhaupt Verkaufschancen zu haben?

Schmidt: Saubere Buchführung, saubere Strukturen und wenig Abhängigkeit vom ausscheidenden Inhaber. Die Bäckerei muss über die Kennzahlen gesteuert werden, es sollte eine zweite Führungsebene eingezogen worden sein, um das Geschäft überhaupt übertragbar zu machen.

Ein Unternehmen wie das ,Haus der Bäcker’ kauft liquide, wirtschaftlich gesunde Bäckereien auf und betreibt sie unter deren Namen weiter. Ist das die Zukunft oder nur ein Modell von vielen?

Seip: Dieses Modell ist mittlerweile gerade in stark fragmentierten und regionalen Branchen eine typische Strategie von Finanzinvestoren. Es hat für beide Seiten erhebliche Vorteile: Ein Unternehmen mit fünf Millionen Euro Umsatz erhält niedrigere Bewertungsfaktoren als ein Unternehmen oder eine gut integrierte Unternehmensgruppe mit 50 Millionen Euro Umsatz.

Schmidt: Es gibt Finanzinvestoren ganz unterschiedlicher Art, die unterschiedliche Ansätze verfolgen, ein Beispiel sind Family-Offices.

Seip: Ich kann mein Unternehmen auch an externe Privatpersonen übergeben. Da sind unterschiedliche Kompetenzen möglich. Allerdings sollte der Nachfolger schon mal in der Backstube gestanden haben.

Dieser Beitrag von Arnulf Ramcke wurde auf Basis von Interviews mit Patrick Seip und Fabian Schmidt (Nachfolgekontor) erstellt und von ABZonline.de, 02.02.2024, veröffentlicht.