Unternehmensbewertung: Theoretische Verfahren vs. Marktwertermittlung

Theoretische Unternehmensbewertung

Die am Markt gängigen, finanzmathematischen Verfahren zur Unternehmensbewertung “Ertragswert” und “Discounted-Cash-Flow” (auch in der Variante des “Adjusted Present Value”) liefern einen theoretischen, finanzmathematisch abgeleiteten Unternehmenswert. Ob dieser Wert jedoch tatsächlich am Markt erzielt werden kann, bleibt im Rahmen der Verfahren unbeantwortet. Insofern birgt ein rechnerisch ermittelter Wert erhebliche Unsicherheit in Bezug auf die tatsächliche Realisierbarkeit am Markt und die damit verbundene Eintrittswahrscheinlichkeit.

Verschärfend kommt das seit mehreren Jahren vorherrschende Niedrigzinsniveau hinzu. Dieses lässt im Zuge des CAPM-Modells die resultierenden Werte „explodieren“. Als Korrekturfaktor für dieses Ungleichgewicht wird deshalb verstärkt – neben anderen Variablen (Fungibilitätsabschlag) – das ohnehin für KMU problematische – unternehmensspezifische Beta herangezogen.

Das unternehmensspezifische Beta ist aus der Bewertung börsennotierter Unternehmen abgeleitet. Die Übertragbarkeit auf KMU stellt von jeher einen Hauptkritikpunkt an den gängigen Verfahren dar. Faktisch ist das Beta damit bereits im Rahmen der Bewertung von KMU ein Hauptmanipulationspunkt. Wird nun das Beta zusätzlich zur Korrekturvariablen für den Niedrigzinseffekt herangezogen, sinkt die Belastbarkeit der Bewertung erheblich und nimmt stark willkürliche Züge an.

Marktwert

Als Mitglied des Experten-Gremiums des Finance Magazins ermitteln wir monatlich zusammen mit anderen renommierten Beratungshäusern die branchenüblichen EBIT- und Umsatzmultiplikatoren für den Unternehmenswert von KMU. Grundlage für unseren Beitrag sind die unternehmensspezifischen Multiplikatoren, die wir im Zuge unserer Beratungsaktivitäten tatsächlich am Markt ermitteln.

Die Bewertung des Unternehmens erfolgt dabei direkt am Markt in Form eines anonymen Bieterverfahrens. Die Interessenten geben auf Basis von anonymisierten Ist- und Planzahlen für GuV und Bilanz (angelehnt an den IDW Standard S1) ein Angebot für das Unternehmen ab, ohne die Identität zu kennen. Offengelegt wird lediglich die Branche, in der das Unternehmen aktiv ist.

Die finanzmathematische Bemessungsgrundlage der Bewertung ist für die Interessenten frei wählbar (EBT, EBIT, EBITDA, Free Cash-Flow oder Umsatz) und wird bewusst nicht vorgeschrieben – ebenso jener der Bewertung zugrunde zu legende Zeitraum (Ist, Plan oder Durchschnitt). Damit fließen die Bemessungsgrundlagen sämtlicher am Markt gängigen Verfahren in die Ermittlung des unternehmensspezifischen Wertes ein.

Wir arbeiten bereits seit mehreren Jahren sehr erfolgreich mit dieser Methode, die sich deutlich von den alten Verfahren unterscheidet und den finanzmathematischen Wert durch einen tatsächlichen, weitaus belastbareren Verkehrswert ersetzt.

 

Fachbeitrag von Thomas Sonntag

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