Abhängigkeiten und Unternehmensnachfolge
Identifikation von Hürden und passende Lösungsansätze
Die Regelung der Unternehmensnachfolge ist ein komplexes und sensibles Thema. Dies gilt insbesondere für Unternehmer inhabergeführter mittelständischer Unternehmen, die weder familienintern noch betriebsintern einen qualifizierten Nachfolger in Sicht haben und nach einer externen Nachfolge Ausschau halten müssen. Eine Reihe harter, rationaler sowie weicher, emotionaler Faktoren nehmen Einfluss auf den Transaktionserfolg. Oft spielen Abhängigkeiten von den persönlichen Beziehungen der Unternehmer eine große Rolle. Welche das sind, behandeln wir im folgenden Fachbeitrag.
Kunden- und Lieferantenabhängigkeiten
Unternehmer, die sich bereits intensiver Gedanken über die eigene Nachfolge gemacht haben, stellen sich oft die Frage, wann der richtige Zeitpunkt zum Verkauf des eigenen Unternehmens ist. Häufig wird dabei auf makroökonomische Signale, wie z.B. die aktuelle Marktlage, geachtet. Übersehen werden dabei häufig die inneren Faktoren, die im späteren Transaktionsprozess jedoch eine weitaus wichtigere Rolle spielen können.
Ein Thema, über das sich Unternehmer selten Gedanken machen, ist das der Abhängigkeiten des Unternehmens von einzelnen Parteien. Eine Abhängigkeit besteht i.d.R. dann, wenn die betreffende Partei einen wesentlichen Einfluss auf den zugrundeliegenden Geschäftsverlauf hat. Wird beispielsweise der Jahresumsatz regelmäßig durch einen einzelnen oder eine geringe Anzahl Kunden bestimmt oder aber essenzielle Betriebsmittel und Schlüsselressourcen (Beispiel „Seltene Erden“) exklusiv durch einen Lieferanten gedeckt, so besteht beispielweise eine Kunden- bzw. Lieferantenabhängigkeit, die den Erfolg der Transaktion gefährden bzw. beeinträchtigen kann.
Der spätere potenzielle Nachfolger des Unternehmens sieht sich dabei mit der Gefahr konfrontiert, dass die Beziehungen zu den wesentlichen Kunden und Lieferanten im Nachgang der Transaktion nicht länger bestehen bleiben. Zwar bestehen im Optimalfall mit den genannten Parteien bereits längerfristige Rahmenverträge, jedoch enthalten diese in häufigen Fällen sogenannte „Change-of-Control“-Klauseln. Diese besagen, dass im Falle einer Änderung der Führung des Unternehmens – die bei einer Nachfolge zwangsläufig vorliegt – der jeweilige Kunde bzw. Lieferant nicht länger an den entsprechenden Vertrag gebunden ist.
In der Regel resultieren die oben genannten Risiken in einer Reduktion des späteren Kaufpreises oder aber die identifizierte Abhängigkeit wird am Ende gar zum Deal-Breaker, sprich die geplante Transaktion und somit auch die angestrebte Nachfolgelösung kommt nicht zustande.
Unsere Empfehlung:
Hat man sich als Unternehmer bereits frühzeitig Gedanken um die Nachfolgeregelung gemacht, so ist es in diesem Kontext ratsam, in Vorbereitung auf eine spätere Transaktion mögliche Kunden- und Lieferantenabhängigkeiten zu identifizieren, kritisch zu reflektieren und nach Möglichkeit zu reduzieren. Dies kann durch die Gewinnung weiterer Kunden bzw. Lieferanten erfolgen sowie ferner durch die Gestaltung von Rahmenverträgen mit den jeweiligen Parteien. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Verträge möglichst keine Change-of-Control-Klauseln enthalten, sodass für den späteren Nachfolger eine solide und sicherere Basis für die spätere Zusammenarbeit fortbesteht.
Inhaberabhängigkeiten durch unvorteilhafte Verteilung von Aufgaben und Verantwortung
Eine weitere potenzielle Abhängigkeit, die von Unternehmern häufig übersehen wird, ist die sogenannte Inhaberabhängigkeit. Oftmals als Tugend verstanden, kann der Fleiß und die Anstrengung eines Unternehmers respektive Unternehmensinhabers zu einer späteren Hürde in der Transaktion werden, nämlich immer dann, wenn ein wesentlicher Teil der Geschäftsprozesse durch den aktuellen Unternehmensinhaber in einem Ausmaß allein verantwortet wird, dass eine Abhängigkeit von demselben besteht.
Das Ziel einer Nachfolgeregelung besteht darin, das oftmals langjährig bestehende Unternehmen erfolgreich an einen neuen Inhaber zu übergeben. Besteht jedoch eine stark ausgeprägte Inhaberabhängigkeit, so sieht sich der potenzielle Nachfolger mit einem relativ hoch empfundenen Risiko konfrontiert, dass der bisherige Geschäftsbetrieb ohne den vorherigen Inhaber nicht ohne Weiteres fortgeführt werden kann.
Eine Inhaberabhängigkeit äußert sich häufig auch dadurch, dass wesentliche Geschäftsprozesse allein durch den derzeitigen Inhaber gesteuert werden können oder aber, dass Kunden und Lieferanten den Kontakt ausschließlich zu dieser einen Person suchen und oftmals aus Sympathie und Vertrauen zum Inhaber als Kunden oder Lieferanten erhalten bleiben. Kommt es zu einem Inhaberwechsel, so besteht das Risiko, dass diese Kunden und Lieferanten dem Unternehmen nicht länger erhalten bleiben und abwandern, wenn die Bindung zum Inhaber in der Geschäftsbeziehung überwiegt und weniger der kommerzielle Mehrwehrt in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen als Entscheidungsgrundlage dient.
Unsere Empfehlung:
Ein möglicher Lösungsansatz ist, Kunden und Lieferanten frühzeitig an entscheidungsfähige und fachkompetente Mitarbeiter, beispielsweise aus der zweiten Führungsebene, heranzuführen und die Verantwortung für die Geschäftsbeziehung an Parteien zu übergeben, die im Falle eines Inhaberwechsels erhalten bleiben.
Die Heranführung geeigneter Mitarbeiter ist jedoch nur möglich, wenn qualifizierte Kandidaten im Unternehmen vorhanden sind. In diesem Zusammenhang wird schnell klar, dass die (Nicht)Verfügbarkeit bzw. das (Nicht)Vorhandensein von kompetenten Mitarbeitern ebenfalls ein Indiz für eine stark ausgeprägte Inhaberabhängigkeit sein kann. Ist der derzeitige Inhaber besonders stark in das operative Geschäft involviert und eine zweite Führungsebene nicht im Unternehmen vorhanden, besteht die Gefahr, dass bei einem Inhaberwechsel das operative Geschäft nicht nahtlos fortgeführt werden kann. Häufig äußert sich eine solche Form von Inhaberabhängigkeit bei Unternehmen mit einem kleinen Mitarbeiterstamm sowie durch übermäßige Wochenarbeitsstunden des jeweiligen Inhabers.
Die Frage, die sich der Unternehmer dabei stellen sollte, lautet „Was passiert, wenn ich krank oder im Urlaub bin?“. In den Fällen, in denen das operative Geschäft unter der Abwesenheit des Unternehmensinhabers leidet, besteht definitiv eine Inhaberabhängigkeit hoher Ausprägung, bei der sich der Unternehmer die Frage nach einer besseren Regelung stellen sollte.
“Kopf-Monopole”: Inhaberabhängigkeiten durch intransparente Geschäftsabläufe und erfolgskritisches Know-How
Bei komplizierten Geschäftsmodellen entsteht häufig eine Inhaberabhängigkeit, wenn wesentliche Geschäftsabläufe lediglich „im Kopf“ des Inhabers verankert sind, es also keine Dokumentation von Abläufen, Verfahrensanweisungen oder klaren Dienstvorschriften gibt. Zwar kann durch eine Übergangszeit das Geschäftsmodell dem späteren Nachfolger nähergebracht werden, jedoch lassen sich jahrelange Erfahrung nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums replizieren.
Unsere Empfehlung:
Auch hier ist es aus unserer Sicht wichtig, sich als Unternehmensinhaber möglichst frühzeitig auf die Nachfolgeregelung vorzubereiten, um derartige Fallstricke zu umgehen. Dies gelingt insbesondere durch die Gewinnung oder die Heranführung von qualifizierten Fach- und Führungskräften, die wesentliche Teile des operativen Geschäfts kompetent verantworten können. Hierzu zählt idealerweise der Aufbau einer zweiten Führungsebene. Das oftmals kritische Geschäfts-Know-How des Inhabers wird somit auf mehrere Parteien verteilt, sodass mit dem Ausscheiden des Gesellschafters das Wissen weiterhin im Unternehmen verbleibt und das Unternehmen umso reibungsloser fortgeführt werden kann.
Eine starke zweite Führungsebene dient somit als ein großer Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Übernahme und wirkt sich im Hinblick auf den Unternehmensverkauf äußerst fördernd aus, wohingegen ein hoher Grad an Inhaberabhängigkeit aufgrund von kritischem Know-How “im Kopf” des Inhabers ein großes Risiko darstellt und nicht selten zu einem Deal-Breaker werden kann.
Ein weiterer Vorteil einer zweiten Führungsebene im Unternehmen ist die Erleichterung des Verkaufsprozesses, da dieser für den Unternehmer i.d.R mit großem Zeitaufwand verbunden ist. Das Vorhandensein einer zweiten Führungsebene hält dem Unternehmer den Rücken frei und verschafft ihm mehr Zeit für die Findung eines geeigneten Nachfolgers respektive Käufers.
Ein Beitrag von Benedikt Pohlner, Partner bei Nachfolgekontor.