Nachfolgesituation in Deutschland

Die aktuellen Rahmenbedingungen
Für den deutschen Mittelstand waren die letzten drei Jahre geprägt von einem ständigen Auf und Ab: Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und allen damit einhergehenden Verwerfungen etablierte sich nach langwierigen gesellschaftlichen und politischen Debatten ein „new normal“ – zurück zur Normalität, jedoch mit anhaltenden Auswirkungen für die Geschäftswelt. Es folgten starke außenpolitische Turbulenzen, die die Weltwirtschaft weiterhin unter enorme Herausforderungen stellen – allem voran der Krieg in der Ukraine. Die Folgen waren mehr als deutlich spürbar. Ressourcenknappheit in vielen Branchen, damit einhergehende Lieferkettenprobleme, explodierende Energiepreise respektive -kosten, steigende Zinsen und eine seit Jahrzehnten nicht mehr dagewesene Inflation. Gemeinsam mit der sinkenden Konsumbereitschaft führte dies zur Rezession. All das hat einen starken Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland und damit auch auf mittelständische Unternehmen. So erscheint es plausibel, dass diese Themen sich auch auf die Nachfolgelandschaft in der Bundesrepublik auswirken.

Blick auf die allgemeinen Auswirkungen
Doch inwiefern sind tatsächliche Verzögerungen zu beobachten? Und welche weiteren Trends stechen hervor? Der Ukrainekrieg und die dadurch hervorgerufene und noch nicht überstandene Energiekrise sind nach der Corona-Pandemie die vorherrschenden Themen, welche die Weltmärkte verunsichern. Wurde mit Beginn der allumfassenden Lockdown-Beschlüsse in 2020 zwar prognostiziert, dass diese mit einer Verschiebung oder gar einer gänzlichen Verwerfung der Nachfolgepläne einhergehen, lässt ein Blick auf die Transaktionslandschaft in den Jahren 2020 und 2021 einen gegenläufigen Trend erkennen: gemäß Zahlen der deutschen Bürgschaftsbanken ist weder ein allmähliches Absinken noch ein scharfer Einbruch der allgemeinen Transaktionstätigkeiten im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen sichtbar (vgl. Nachfolgemonitor 2021, S. 64). Positiv hervorzuheben ist, dass laut statistischem Bundesamt die Anzahl an Familienübergaben in Hochzeiten der Corona-Krise anstieg.

Verlierer oder Gewinner
Branchenseitig wurde in einigen Sparten ein leichter Rückgang der Unternehmensnachfolgen verzeichnet. Das ist vornehmlich in denjenigen Branchen der Fall, die massiv durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie eingeschränkt worden sind, beispielsweise Dienstleister mit engem Kundenkontakt. Demgegenüber gleicht jedoch ein Anstieg von Transaktionen in Feldern, die weniger stark von der Pandemie betroffen sind, die geringe Abnahme in diesen Feldern aus. Mit der allmählichen Beruhigung der Hochphase der Pandemie Mitte des Jahres 2021 nahmen auch die Deal-Aktivitäten zu: laut Global M&A Report 2023 des Beratungshauses Bain & Company konnte bis Q2 2022 ein starker Anstieg der Transaktionen verzeichnet werden. Der große Wendepunkt kam im Juni 2022, als die Zinswende, beginnend mit der Zinsänderung der US-Notenbank, die Märkte verunsicherte. Nicht zuletzt spiegelt sich die prekäre Lage auch in den steigenden Unternehmensinsolvenzen wider: die deutschen Amtsgerichte meldeten im November 2022 rund 20% mehr Insolvenzen als im Jahr 2021. Am stärksten betroffen war der Branchenzweig Bau und Handwerk mit insgesamt 237 Unternehmensinsolvenzen im Wirtschaftsjahr 2022, gefolgt von der Handelsbranche mit 207 angemeldeten Verfahren.

Die Nachfolgewelle rollt weiter
Abgesehen von der Transaktionsfrequenz ist auch die Anzahl an Unternehmen, die vor der Übergabe stehen, eine wichtige Größe im Hinblick auf die Nachfolgelandschaft in Deutschland. Laut Schätzungen des Instituts für Mittelstandforschung (IfM) stand im Zeitraum von 2018 und 2022 für rund 150.000 Unternehmen mit etwa 2,4 Millionen Beschäftigten eine Übergabe an (vgl. IfM Bonn 2018, S. 9, 13). Die jüngste Hochrechnung, die sich auf eine Zeitspanne von 2022 bis 2026 bezieht, kommt zum Ergebnis, dass in naher Zukunft sogar 190.000 Unternehmen die Nachfolgeregelung anstoßen müssten (vgl. KfW Nachfolge Monitoring Mittelstand 2023, S.1). Das macht einen Anstieg von mehr als einem Viertel im Vergleich zu der zuvor betrachteten Fünf-Jahres-Periode aus.

Einerseits machen diese Zahlen drastisch deutlich, wie viele Unternehmen und damit auch Arbeitnehmer in eine unsichere Zukunft blicken. Andererseits geht ebenso aus ihnen hervor, wie viele Wunsch- und Neuunternehmer die potenzielle Chance haben, aktiv in ein bereits bestehendes Unternehmen einzusteigen. Allein die schiere Anzahl an zu übergebenden Unternehmen unterstreicht, dass die Nachfolgelandschaft in Deutschland nach wie vor ein attraktives Einstiegstor für den Weg in die Selbstständigkeit ist.

Die starke Zunahme ist insbesondere auf den demografischen Wandel zurückzuführen, also der allmählichen Alterung der Unternehmerschaft (ibid., S. 6). So ist der Anteil der deutschen Unternehmer, die bereits über 60 Jahre alt sind, erneut gestiegen. Berechnungen des Nachfolgemonitors zufolge waren im Jahr 2022 31% der Unternehmer bereits 60 Jahre alt oder älter. 2019 waren es noch 27%. Zehn Jahre zuvor hatte nur rund jeder siebte Unternehmer dieses Alter erreicht (ibid., S. 4). Auch das steigende Alter der Unternehmerschaft, die aus Altersgründen zeitnah vor einer Übergabe steht, unterstreicht die Dringlichkeit der Thematik.

Indes ist auch ein positiver Trend zu benennen: Unternehmer beschäftigen sich zunehmend früher mit dem Thema Nachfolge. Jüngst waren rund 62% der erfolgreich Übergebenden noch jünger als 65, während der Anteil 5 Jahre zuvor bei nur rund 57% lag (vgl. Nachfolgemonitor 2021, S. 8).

Blick in die Zukunft
Die Prognose des IfM verrät zudem, dass die zu übergebenden Unternehmen vorrangig aus den Wirtschaftszweigen Unternehmensnahe Dienstleistungen (ca. 45%), Produzierendes Gewerbe (ca. 26%) und Handel (ca. 18%) stammen. Der Überbegriff Unternehmensnahe Dienstleistungen steht hierbei für eine Vielzahl von Feldern: Verkehr und Lagerei, Information und Kommunikation, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen, freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen sowie sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (vgl. IfM Bonn 2021, S.10-11).

Größenseitig sind es vor allen Dingen Unternehmen, die einen jährlichen Umsatz von 500 TEUR bis zu einer Million EUR erwirtschaften, bei denen zeitnahe eine Nachfolgeregelung angestoßen werden sollte (ca. 28%). Mit einem Anteil von unter einem Prozent werden in Unternehmen mit Umsatzklassen von 25 bis 50 Mio. EUR oder 50 Mio. EUR und höher die wenigsten Übergaben erwartet (ibid., S.11-12).

Bei den deutschen Nachfolgern handelt es sich im bundesweiten Durchschnitt bei rund 80% um Männer. Betrachtet man den Frauenanteil der Übernehmenden nach Bundesland ist er lediglich in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin annähernd ausgeglichen: hier liegt die Frauenquote immerhin bei rund 40%. (vgl. Nachfolgemonitor 2022, S.10). Das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Realisation der Übernahmepläne beider Geschlechter beträgt rund 39,5 Jahre (ibid., S. 5). Dieser Altersdurchschnitt ist vor allen Dingen deshalb realistisch, weil viele Nachfolger berichten, dass sich nach geraumer Zeit im Angestelltenverhältnis, teilweise bereits in leitender Position, der persönliche Wunsch herauskristallisiert hat, selbst Unternehmer zu werden. Natürlich spielt die gesammelte Berufserfahrung und somit sicherlich auch ein über diesen Zeitraum aufgebautes finanzielles Polster eine Rolle bei der finalen Entscheidung, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

Ein weiterer Trend ist die Suche nach lokalen Nachfolgemöglichkeiten. Dies ist vor dem Hintergrund der individuellen Lebenssituation der Übernehmenden äußerst nachvollziehbar. Insbesondere in Anbetracht des Durchschnittsalters der Nachfolger ist annehmbar, dass die Mehrzahl der Wunschunternehmer bereits einen festen Familienwohnsitz hat, den man ungern zur Verfolgung der Karrierepläne verlegen möchte. So traten nach Auswertung des Nachfolgemonitors rund 70 % aller Käufer die Nachfolge in einem Unternehmen an, welches im gleichen Landkreis sitzt. Weitere 22% entschieden sich für die Übernahme eines Unternehmens im gleichen Bundesland, während nur 8% der Nachfolger bereit waren, das Bundesland zu wechseln (ibid., S. 13).

Letztlich ist ebenfalls zu erkennen, dass die Nachfolge ein „Sologeschäft“ ist. So übernimmt nur in jedem vierten Fall ein Team, bestehend aus mindestens zwei oder mehreren Personen, ein Unternehmen. Zum Vergleich: bei der Gründung von einem Startup handelt es sich bei rund 82% um eine Teamgründung, bei der gar drei bis fünf Personen involviert sind (ibid., S. 19).

Fazit
Es ist davon auszugehen, dass der deutsche Nachfolgesuchende, bei dem es sich durchschnittlich gemäß dem vorherrschenden Trend um einen Mann mittleren Alters handelt, welcher sich eigenständig um ein Unternehmen zur Übernahme im selben Landkreis bemüht, auch in den kommenden Jahren eine breite Auswahl an Unternehmen hat, die händeringend einen Übernehmenden suchen. Während die Maßnahmen der Corona-Pandemie keine gravierenden Auswirkungen auf die Aktivitäten innerhalb der Nachfolgelandschaft in Deutschland hatten, zieht der andauernde Ukraine-Krieg fortwährende gesellschaftliche und politische Verwerfungen mit sich, die einen deutlich drastischeren Einfluss auf die deutsche Wirtschaft und somit auch auf die Transaktionslandschaft des deutschen Mittelstandes haben. Der Rückgang an Nachfolgen ab der zweiten Jahreshälfte des Wirtschaftsjahres 2022 zeigt, dass der Beginn des Kriegs und die damit einhergehende Energiekrise sowie die Inflation viele Unternehmer in ihrer Nachfolgeentscheidung beeinflusst hat. So warten einige Unternehmer die Erholung der Märkte ab während andere keine Wahl hatten und mit ihrem Betrieb Insolvenz anmelden mussten.

Doch es gibt Grund für ein allmähliches Aufatmen: während der Inflationsschock, die Unsicherheit durch den Russland-Ukraine-Konflikt, der Zinsanstieg und die schwache Weltwirtschaft das gesamtwirtschaftliche Wachstum bis zur Jahreswende 2022/23 gedämpft haben, prognostizieren Experten eine konjunkturelle Erholung. So verbesserte sich die Stimmung innerhalb des Deutschen Mittelstandes mit Frühlingsbeginn deutlich: die Lagebeurteilung der Unternehmen aber auch die Geschäftserwartungen stellen sich in Q1 2023 deutlich besser dar als noch im Jahr 2022 vorausgesagt (KfW-ifo-Mittelstandsbarometer: Mai 2023), was insbesondere auf die aufgelöste Gasmangelproblematik, staatliche Unterstützungsmaßnahmen und die allmählich sinkenden Energiepreise zurückzuführen ist.

Ob und inwiefern sich diese Vorausschau in den Zahlen der zukünftig tatsächlich stattfindenden Übernahmen widerspiegelt, bleibt zwar abzuwarten, doch bereits jetzt geht aus der Beobachtung der aktuellen Marktlandschaft hervor, dass auch in Krisenzeiten die Nachfolgeregelung ein Schlüsselthema für den deutschen Mittelstand bleibt, dass sowohl Eigentümer als auch potentielle Nachfolger beschäftigt.

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Verfasser und Ansprechpartner bei Nachfolgekontor
Viktoria Derdiyok
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